MainzZero: Das 1,5 Grad Ziel von Paris verlangt schnelles Handeln! MainzZero – Klimaentscheid Mainz‘: Dieses gleichnamige Bürgerbegehren wurde Mitte Januar von Mainzer Bürger*innen auf den Weg gebracht, um Mainz bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Elf Ziele bilden die Eckpunkte, mit denen Mainz nach Meinung der Initiatoren schnelle Fortschritte erreichen kann. Die wichtigsten Maßnahmen werden nun in einer Artikelserie aufgezeigt und erklärt. Im zweiten Artikel geht es um das 1,5-Grad-Ziel von Paris und Klimaneutralität in 2030.

Austrocknung des Rheins zwischen Nackenheim und Nierstein bei Mainz im Sommer 2015.
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Erderwärmung: alle Mainzer*innen sind betroffen

Dass der Klimawandel keine Theorie, sondern Realität ist, spüren die Mainzer Bürger*innen fast täglich: Die Nachrichten sind voll von Berichten über immer häufiger auftretende Klimakatastrophen. Es gibt viele Regionen in der Welt, die noch viel schlimmer darunter leiden, doch extreme Wetterereignisse nehmen auch in Mainz zu. Die Anzahl der heißen Tage mit Temperaturen von mehr als 30 Grad steigt, besonders deutlich in den Jahren 2018 und 2019. Tropische Nächte mit Temperaturen von über 20 Grad werden häufiger. Der Grundwasserpegel sinkt. Immer mehr Dürreperioden, gerade auch hier im Südwesten Deutschlands, bereiten den Parks – den grünen Lungen der Städte – Probleme. Müssen wir uns an vertrocknete Wiesen, verdorrte Bäume und drückende tropische Nächte ohne Abkühlung gewöhnen? Nein: Wenn wir jetzt handeln kann noch verhindert werden, dass die Extremwetterlagen weiter zunehmen und die Gesundheit der Bürger*innen und besonders von Säuglingen, Kleinkindern, Älteren und Pflegebedürftigen gefährden. Alle Staaten der Welt, und so auch Deutschland, haben sich im Pariser Klimaschutzabkommen dazu verpflichtet die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Auch Mainz hat damit eine Verantwortung seinen Teil dazu beizutragen.

Das Pariser Abkommen und das 1,5-Grad-Ziel

Das Übereinkommen von Paris aus dem Dezember 2015 ist eine Vereinbarung von allen (!) 195 Staaten dieser Welt und der Europäischen Union mit dem Ziel des umfassenden Klimaschutzes in Nachfolge des Kyoto-Protokolls von 1997. Das Pariser Abkommen sieht die Begrenzung der menschengemachten, globalen Erwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius (möglichst 1,5 Grad) gegenüber vorindustriellen Werten vor. 

Verschiedene Studien und ein Sonderbericht des Weltklimarats legen nahe, dass bereits das Zwei-Grad-Ziel nicht ausreichen könnte, um unwiderrufliche Kipp-Punkte im Klimasystem sicher zu verhindern. Diese Kipp-Punkte würden das Erdklima dann in eine Heißzeit überführen, deren Temperatur um mehrere Grad über der heutigen liegen würde. 

Schnelles Reduzieren der Emissionen: unser CO2-Restbudget ist endlich

Die Menge an ausgestoßenen Treibhausgasen und die dadurch verursachte Temperaturerhöhung hängen fast linear zusammen. Daraus ergibt sich, dass die Weltgemeinschaft eine bestimmte Restmenge an CO2 ausstoßen darf, wenn sie die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will. Auch für die Stadt Mainz lässt sich anhand der Einwohnerzahl ein CO2-Budget errechnen. Entscheidend für das Ausmaß des Temperaturanstiegs ist nicht der gegenwärtige Ausstoß an Treibhausgasen – wie oft fälschlich angenommen wird –, sondern die Gesamtmenge an Emissionen, die über die Zeit anfällt. Das bedeutet, dass für jedes Jahr Verzögerung beim Klimaschutz in der Gegenwart anschließend umso schnellere und tiefgreifendere Klimaschutzmaßnahmen ergriffen werden müssen. 

Aus dieser, wissenschaftlich untermauerten Erkenntnis entstand das 1,5-Grad-Ziel: Auf Druck der südlich gelegenen Länder, die schon heute unter enormen Schäden durch die Erderwärmung leiden, haben die 195 Staaten sich das Ziel gesetzt, den globalen Temperaturanstieg auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Und alles dafür zu tun, dieses Ziel zu erreichen.

Es wird immer heißer: Entwicklung der mittleren Jahres-Lufttemperatur in Mainz-Lerchenberg seit 1880.
Quelle: energy-charts.info

Die nächsten Jahre sind entscheidend

Der Weltklimarat (IPCC) gibt das globale CO2-Restbudget in seinem 2018er Sonderbericht mit 580 Mrd. Tonnen für die gesamte Weltgemeinschaft an, wenn das 1,5-Grad-Ziel mit  50% Wahrscheinlichkeit erreicht werden soll. Bei gleichbleibendem Ausstoß wäre dieses Budget in elf Jahren, also Ende 2031, aufgebraucht (Stand November 2020). Im Jahr 2018 wurden weltweit rund 42 Mrd. Tonnen CO2 emittiert – mit steigender Tendenz.

In der Klimapolitik gehören nationale Kohlenstoffbudgets und die Frage, inwiefern diese mit einem globalen Budget in Einklang stehen, zu den Schlüsselthemen. Für Deutschland, das als Industrieland höhere Pro-Kopf-Emissionen als der Weltdurchschnitt produziert, nennt der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen ab 2020 ein Restbudget von 4,2 Mrd. Tonnen, um die im Abkommen von Paris angestrebte Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad mit einer 50%-Chance zu erreichen. Für die Begrenzung auf 1,75 Grad läge das Restbudget bei 6,6 Mrd. Tonnen.

Derzeit stößt Deutschland 0,72 Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr aus. Bei einem Weiter so wäre dieses Budget bei gleichbleibenden Emissionen bereits 2026 – beziehungsweise für 1,75 Grad 2029 – aufgebraucht. Mit diesen beiden Zielen unvereinbar sind die 2019 aufgestellten Klimaschutzpläne der Bundesregierung: Diese sehen vor, dass Deutschland bereits bis zum Jahr 2030 rund 7,5 Mrd. Tonnen Kohlendioxid freisetzt. Damit würde Deutschland – das derzeit Klimaneutralität für 2050 anstrebt – ebenfalls noch vor dem Jahr 2030 das oben genannte Budget überschreiten

Das Wuppertal-Institut weist in seiner 2019 erstellten Studie „CO2-neutral bis 2035: Eckpunkte eines deutschen Beitrags zur Einhaltung der 1,5-°C-Grenze“ darauf hin, dass es entscheidend ist, dass die Treibhausgas-Emissionen bereits in den vor uns liegenden Jahren besonders stark sinken. Binnen der nächsten fünf bis sechs Jahre müssen sich die deutschen Treibhausgasemissionen demnach etwa halbieren, um in diesem Restbudget-Korridor zu bleiben. „Ist [der gesellschaftliche und politische Wille] gegeben, stehen der Zielerreichung keine unüberwindlichen Hindernisse entgegen”, schreiben die Wissenschaftler*innen des Wuppertal Instituts in ihrer Studie.

Kipp-Punkte: das Risiko für extreme Wetterereignisse steigt

Ab einem bestimmten Punkt steigt die Erderwärmung nicht mehr linear, sagen Klimaforscher. Wenn bestimmte sogenannte Kipp-Punkte oder Schwellen erreicht werden, kann das Klimasystem insgesamt „kippen“ und die Erwärmung wird schneller voranschreiten. Wie stark, da gibt es verschiedene Szenarien, die bereits von Wissenschaftlern durchgespielt wurden. Sicher ist: wenn diese Kipp-Punkte überschritten sind wird es mit großer Wahrscheinlichkeit zu extremen Wetter- und Klimaveränderungen kommen.

Solche Kipp-Punkte sind zum Beispiel das Schmelzen des Gletschereises: wo das helle Eis schwindet, kommt meistens ein dunklerer Untergrund zum Vorschein, sei es Fels oder das Meerwasser. Diese freigelegte dunklere Oberfläche nimmt mehr Sonnenwärme auf, die wieder den Schwund des verbliebenen Eises beschleunigt. Dieser Vorgang kann – wie bei einem vom Sturm angebrochenen Ast – nicht mehr rückgängig gemacht werden, sondern ist selbst verstärkend.  

Weitere Kipp-Punkte sind unter anderem das Auftauen der arktischen Permafrostböden, die Austrocknung des Amazonas-Regenwaldes und die Versauerung der Ozeane durch übermäßige Aufnahme von CO2.

Eine Studie des Weltklimarates (IPCC) von 2019 zeigt, dass es „nicht ausgeschlossen [ist], dass einzelne Kipp-Punkte bereits bei 1,5° bis 2°C Temperaturanstieg gegenüber dem vorindustriellen Niveau noch in diesem Jahrhundert erreicht werden könnten.“ (Quelle: Pressemitteilung BMBF). In der Antarktis könnte der erste Kipp-Punkt bereits erreicht sein: Seit 2012 haben sich die antarktischen Eisverluste von zuvor jährlich 79 Milliarden Tonnen auf 219 Milliarden Tonnen pro Jahr erhöht – das entspricht fast einer Verdreifachung. (University of California Irvine, University of Leeds, Columbia University, 14.06.2018). 

CO2-Emissionen der Stadt Mainz: Szenarien für die Zukunft
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Wichtiges Ziel für lebenswertes Mainz: Klimaneutralität bis 2030

Deshalb ist der Bürgerinitiative ‚MainzZero‘ die Klimaneutralität der Stadt bis 2030 immens wichtig, auch wenn das für Mainz ein ambitioniertes Ziel darstellt. Und den Initiatoren des Bürgerbegehrens ist bewusst, dass die Stadt auf entsprechende Rahmenbedingungen auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene angewiesen ist. Aber Mainz hat als Kommune eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten. Städte wie Marburg, Tübingen, Münster und Kassel zeigen, dass das Ziel ‚Klimaneutralität 2030‘ ambitioniert, aber nicht unrealistisch ist. Auch eines der wichtigsten Unternehmen in Mainz hat sich bereits dieses Ziel gesetzt. Schott will bis 2030 komplett klimaneutral produzieren. Dabei ist die Glasverarbeitung besonders energieintensiv und das Ziel somit besonders ambitioniert und umso begrüßenswerter: Derzeit stößt Schott (in Mainz und an anderen Standorten) etwa 1 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr aus. Zum Vergleich: Der Ausstoß der Stadt Mainz betrug 2018 1,9 Mio. Tonnen CO2 (Quelle: Bericht des Leipziger Instituts für Energie für die Stadt Mainz „Klimaneutralität 2035 – Erste Einschätzung der Machbarkeit“ vom Januar 2021).

Von größter Wichtigkeit ist ein umgehender Start, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Deshalb ist die Kern-Forderung von ‚MainzZero‘ eine jährliche Reduktion des CO2-Ausstoßes von mindestens 10%. Und das wird nur gelingen, wenn die Stadt die notwendigen Maßnahmen schneller und konsequenter umsetzt und außerdem alle Mainzer*innen jährlich über die Fortschritte bei der CO2-Reduktion und in der Maßnahmenumsetzung informiert und damit Transparenz in diesem Bereich herstellt. 

Wenn alle Mainzer*innen mitmachen, werden wir das schaffen! Die Klimawende erfordert gesellschaftlichen und politischen Willen und vor allem aktives Anpacken ohne Wenn und Aber! Jedes Zögern lässt wichtige Zeit verstreichen, die wir als Bürgerinnen und Bürger, aber eben auch als politisch Verantwortliche nicht mehr haben. Das Ziel ist es wert.

Für uns. Für unsere Kinder und Enkel. Für ein lebenswertes Mainz.

Die detaillierten Forderungen und Ziele von ‚MainzZero – Klimaentscheid Mainz‘ und weitere Infos zum Bürgerbegehren sind unter www.klimaentscheid-mainz.de zu finden.