Wenn Mainz seinen Beitrag zum Klimaschutz-Abkommen von Paris leisten will, dann geht das im Wesentlichen über Änderungen im Verkehrsbereich.

‚MainzZero – Klimaentscheid Mainz`: Dieses gleichnamige Bürgerbegehren wurde Mitte Januar von Mainzer Bürger*innen auf den Weg gebracht, um Mainz bis 2030 klimaneutral zu gestalten. Elf Ziele bilden die Eckpunkte, mit denen Mainz nach Meinung der Initiatoren schnelle Fortschritte beim Klimaschutz erreichen kann. Die wichtigsten Maßnahmen werden in einer Artikelserie aufgezeigt und erklärt.
Den Anfang macht das Thema Verkehrswende für Mainz.

Verkehr in Mainz: Was in der Stadt erreicht werden kann
Mit 400 Tausend Tonnen Treibhausgasemissionen pro Jahr hat der Verkehr einen erheblichen Anteil an den Gesamtemissionen in Mainz. Und – anders als in anderen Sektoren – haben die Emissionen durch Verkehr in Mainz seit 2014 nicht abgenommen, sondern haben sich weiter erhöht. So der offizielle, von der Stadt beauftragte Bericht des Leipziger Instituts für Energie (IE Leipzig). Das müsste für die Stadt ein Alarmsignal sein – und trotzdem stand in der Stadtratsvorlage zum neuen Klimaneutralitätsbericht nichts Neues zum Sektor Verkehr. 

Wenn Mainz seinen Beitrag zum Klimaschutz-Abkommen von Paris, dem Deutschland im Dezember 2015 beigetreten ist, leisten will, dann geht das nicht ohne Änderungen im Verkehrsbereich.
Verschiedene Studien zeigen eindeutig, dass es dafür weniger und wenn, dann elektrisch betriebene Autos in den Städten geben muss. Und ganz klar ist: Das alles kann nur mit den Mainzer Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam erfolgen. Die gute Nachricht: Bereits jetzt geben 61 % der Autofahrer*innen in Großstädten an, zu einem Umstieg auf andere Verkehrsmittel bereit zu sein.
Für den menschengerechten Umbau unserer Stadt braucht es eine klare Haltung und ein  beherztes Anpacken der Politik. Denn Flächen umwidmen heißt fast immer, die Privilegien der Autofahrer*innen zugunsten denen von Fußgänger*innen, Radler*innen oder Fahrgästen des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) ab- und umzubauen. 

Eine Herausforderung, die sich lohnt: Viele Städte in Deutschland und Europa haben sich bereits auf den Weg gemacht und sichtbare Fortschritte erzielt. Fahrradfreundliche Städte wie Kopenhagen oder Bocholt sowie Nahverkehrsstädte wie Karlsruhe und Bremen zeigen, wie klimaschonende Mobilität umgesetzt werden kann. 

Mainzer Domplatz um 1970: autofreie Bereiche machen die Innenstadt attraktiver.
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Keine Verbote, sondern attraktive Alternativen sind gefordert
Trotzdem gibt es Ängste. Viele Menschen sind aktuell auf das Auto angewiesen und sehen bisher noch keine Möglichkeit, darauf zu verzichten. Das Autofahren zu verbieten ist daher nicht der zielführende Weg. Vielmehr gilt es die Angebote des ÖPNV auszubauen, die Fahrradinfrastruktur zu stärken und das Carsharing so attraktiv zu gestalten, dass Mainzer*innen ihr Auto lieber stehen lassen. Diese neuen Angebote müssen günstig, flexibel und einfach sein.

Deshalb enthält das Bürgerbegehren von MainzZero folgende Forderungen:

  • Attraktiver und sicherer Fuß- und Radverkehr
  • Ausbau des Öffentlichen Personen-Nahverkehrs 
  • Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung, was bedeutet, dass ein größerer Teil der öffentlichen Parkplätze kostenpflichtig wird.

Dies bedeutet konkret, dass die Stadt ihre Bürger*innen zum Zufußgehen einlädt, indem sie attraktive Fußgängerzonen, Spielstraßen und autofreie Nebenstraßen gestaltet. Mainz braucht sichere, komfortable Radwege, echte Fahrradstraßen und Radschnellwege für Pendler*innen sowie darüber hinaus weitere Bike&Ride-Stationen wie am Hauptbahnhof für Pendler*innen aus dem Umland.
Natürlich gehört zu einer klimaschonenden Verkehrspolitik auch der Betrieb eines engmaschigen, hochfrequenten ÖPNV-Netzes – auch in der Nacht, perspektivisch mit Elektrobussen. Dabei müssen die ÖPNV-Fahrpreise gesenkt und – im Vergleich zu den Parkgebühren – wesentlich attraktiver gestaltet werden. 

Des Weiteren müssen PKW-Flächen zugunsten des Fuß- und Radverkehrs reduziert und autofreie Bereiche geschaffen werden. Um Parksuchverkehr zu reduzieren, sollte die Stadt ein flächendeckendes Parkraum-Management einführen und die Parkraumüberwachung intensivieren. Des Weiteren schlägt MainzZero Tempo 30 auf Haupt- bzw. 20 auf Nebenstraßen als Regelgeschwindigkeiten vor. So kann der Umstieg weg vom Auto hin zu alternativer Fortbewegung angestoßen und die Sicherheit für die Verkehrsteilnehmer*innen – insbesondere von Kindern und Radfahrer*innen – erhöht werden.

Verkehrswende mit den Bürger*innen positiv gestalten
Viele Menschen sehen bisher noch keine Möglichkeit auf ein Auto zu verzichten. Hierbei geht es nicht darum, Zwang auszuüben, das eigene Auto abzuschaffen. Die Bürger*innen sollten vielmehr die Verkehrswende mitgestalten, indem beispielsweise die Bewohner*innen eines Stadtteils mit entscheiden können, welche Straßen z.B. für Kinder auf dem Schulweg oder die Gastronomie besonders wichtig sind. Dazu müssen  Anwohner*innen, Einzelhandel und Gastronomie vor den Entscheidungen beteiligt werden. Für notwendigen Lieferverkehr können je nach Standort Ausnahmen vereinbart werden. Denn: Autofreie Straßen ermöglichen sicherere Schulwege und mehr Lebensqualität für alle Bewohner*innen.

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Die Vision einer lebenswerten Innenstadt.
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Der in der Innenstadt verbleibende Individualverkehr muss langfristig mit alternativen Antrieben (z.B. Wasserstoff, E-Autos) erfolgen. Ergänzend dazu gehört aus Sicht von MainzZero, dass die Stadt die notwendige Ladeinfrastruktur für PKW sowie E-Bikes insbesondere in Parkhäusern ausbaut.

Um die Verkehrswende positiv zu gestalten, ist es wichtig aufzuzeigen, wie es anders gehen kann: Ein gutes Beispiel sind die zusätzlichen Außenflächen für die Gastronomie auf öffentlichen Parkplätzen, die im Zuge der Corona-Pandemie entstanden sind. Für die Mainzer Restaurants und Cafés bedeuten zusätzliche, attraktive Außenflächen und verkehrsberuhigte Straßen dauerhafte Einnahmen, die existentiell wichtig sind.

Gleichzeitig verfügt die Mainzer Innenstadt über viele, nicht ausgelastete Parkhäuser. Um Anreize zu schaffen, müssen diese preislich attraktiver gestellt werden als die seit Jahren preislich konstanten Parkplätze im öffentlichen Raum. Der verfügbare Raum – gerade in der Innenstadt – ist begrenzt und muss sinnvoll als lebendiger Raum genutzt werden. Er darf nicht länger durch überwiegend stehende Fahrzeuge blockiert werden. 

Zielsetzung von ‚MainzZero‘: Individualverkehr bis 2030 halbieren
Die Zielsetzung von MainzZero ist ganz klar: Der Anteil des aktuellen motorisierten Individualverkehrs muss auf der Grundlage eines freiwilligen Umstiegs der Bürger*innen bis 2030 auf die Hälfte zurückgehen – sonst kann und wird die Klimawende in Mainz nicht gelingen. Die Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie aus 2020 bestätigt dies als notwendigen Beitrag zum Einhalten des 1,5-Grad-Ziels von Paris. Gleichzeitig hält diese Studie sogar eine zusätzliche Reduzierung des PKW-Bestands um zwei Drittel im Vergleich zu 2019 in Städten für erforderlich. Die Stadt Mainz weist gerne darauf hin, dass das Thema Individualverkehr in vielen Städten Deutschlands schwierig ist – aber das darf keine Entschuldigung sein. Hier in Mainz müssen alle Kräfte für die Verkehrswende eingesetzt werden, um die guten Ansätze weiterzuentwickeln, zum Beispiel indem die Stellen für Fahrradbeauftragte und Klimaschutzmanager*innen weiter ausgebaut werden. Auch gilt es, den im September 2019 ausgerufenen Klimanotstand und die beschlossenen Klimapläne mit Leben zu füllen und in die Tat umzusetzen.
Nicht alle den Initiatoren wichtigen Bereiche konnten im Bürgerbegehren angesprochen werden. So sind zum Beispiel Preisfestlegungen für den ÖPNV, angemessene Preise für Anwohnerparken oder Anwohnertarife in Parkhäusern nach der Gemeindeordnung keine zulässigen Themen für ein Bürgerbegehren. Diese müssen laut MainzZero jedoch von der Verwaltung in den Fokus genommen werden, um die Verkehrswende noch engagierter anzugehen.

Die Corona-Krise zeigt uns, wie leise und lebenswert unsere Stadt sein kann, wenn ein Großteil der Autofahrten nicht stattfindet. Genau diese Qualität möchte MainzZero erreichen – und dabei gleichzeitig die Mobilität erhalten, die zu unserer munteren und quicklebendigen Stadt passt. Politik und Verwaltung sind gefordert, anhand dieser Handlungsansätze ein konkretes Verkehrsaktionsprogramm für Mainz auszuarbeiten, um die Klimaneutralität bis 2030 im Verkehrsbereich zu erreichen. Es hilft uns allen – unserer Sicherheit und Gesundheit, unserem Klima, unserem Lebensgefühl und damit unserer Stadt als Gesamtgefüge.

Visionen sind gefragt – Umgestaltung des Domplatzes beispielhaft
Die Verkehrswende wird Veränderungen mit sich bringen. Aber dafür offen zu sein lohnt sich für die Mainzer Bürger*innen! Ein Blick in die Vergangenheit macht dies deutlich: Der Mainzer Domplatz zeigt, dass autofreie Bereiche die Innenstadt attraktiver machen und beleben – das Marktfrühstück wäre Anfang der 1970er Jahre nicht möglich gewesen. Niemand würde das heute zugunsten des Autoverkehrs wieder zurückdrehen wollen.

Alle Mainzer*innen können die Verkehrswende gemeinsam angehen – es ist eine Sache der Vorstellungskraft und des Willens, unser Mainz ganz neu zu denken und zu gestalten!

Für uns. Für unsere Kinder und Enkel. Für ein lebenswertes Mainz.

Die detaillierten Forderungen und Ziele von ‚MainzZero – Klimaentscheid Mainz‘ und weitere Infos zum Bürgerbegehren sind unter www.klimaentscheid-mainz.de zu finden.