Mainz, 30. September 2021. Bei der Sitzung des Mainzer Stadtrates am 29. September haben die Initiator*innen von ‚MainzZero – Klimaentscheid Mainz‘ die Ratsmitglieder sowie die Stadtspitze um Oberbürgermeister Ebling zu inhaltlichen Gesprächen zu den Forderungen und Zielen der Bürgerinitiative aufgefordert. Gleichzeitig riefen Caterina Wolfangel und Hans-Georg Frischkorn als Vertrauenspersonen des Bürgerbegehrens dazu auf, nach zahlreichen Beschlüssen in den zurückliegenden Jahren nun endlich ins Handeln zu kommen. Die im Stadtrat vertretenen Parteien betonten in ihren Antworten ihre Bereitschaft, die im Bürgerbegehren geforderten Maßnahmen zu prüfen und in gemeinsame Stadtratsanträge umzusetzen. Die meisten der Redner*innen betonten in ihren Stellungnahmen die Notwendigkeit schnelleren Handelns für den Klimaschutz in Mainz. „Klimaneutralität für Mainz darf nicht zum Zankapfel zwischen den Parteien verkümmern“, betonte auch Hans-Georg Frischkorn aus Sicht von MainzZero.

Die Beschlussvorlage, das Bürgerbegehren auf Basis der juristischen Prüfung des Rechtsamtes der Stadt abzulehnen, wurde mehrheitlich angenommen. Einige Parteien folgten jedoch der Argumentation von MainzZero, das die rechtliche Situation anders bewertet. Die Bürgerinitiative MainzZero bedauert diese Ablehnung sehr und kritisiert scharf, dass sie als alternativlos dargestellt und keine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Klimakrise gesucht wurde. Im Anschluss an seine Bewertung der juristischen Aspekte zeigte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling den Kontext und das weitere Vorgehen auf: „Im Wissen um die formale Nichtzulässigkeit treten Mitglieder des Rates in den Dialog mit der Initiative und schauen, ob wir die Ziele nicht noch besser, noch strenger formulieren können.“

Exemplarisch: Drei gute Beschlüsse – Handeln Fehlanzeige
Caterina Wolfangel führte in Ihrer Rede für MainzZero drei Eckpfeiler der städtischen Beschlüsse an, die das kritisierte Nicht-Handeln belegen: im Rahmen des Klimanotstands wurde 2019 beschlossen, den ‚Masterplan 100% Klimaschutz‘ aufgrund der neuen Klimaziele anzupassen. Im gleichen Jahr wurde die Bewertung der Klimarelevanz von Stadtvorlagen beschlossen. Die Vorlage einer Solarsatzung wurde bereits 2017 im ‚Masterplan 100% Klimaschutz‘ als kurzfristige Maßnahme bis 2020 genannt und ihre Prüfung war 2019 erneut Thema eines Stadtratsbeschlusses. Doch umgesetzt wurde sie bisher ebenso wenig wie die beiden anderen Punkte.

Wie drängend ein aktives Handeln in Mainz ist schreibt des Leipziger Instituts für Energie in seinem von der Stadt beauftragten Bericht vom Januar dieses Jahres. Es stellt fest „dass Mainz sein THG (Treibhausgas)-Reduktionsziel für 2018 nicht erreicht hat.“ Und betont weiter: „Das Ziel Klimaneutralität erfordert ein Denken in neuen Maßnahmen und sehr schnell einen Mentalitätswechsel in allen Bereichen.“

Die Initiator*innen zeigten – wie bereits in Gesprächen mit der Stadt und den Fraktionen – praktikable Lösungsansätze auf. Caterina Wolfangel: „Viele unserer Forderungen sind kurzfristig mit geringen finanziellen Mitteln umsetzbar.“ Denn viele der geforderten Maßnahmen würden durch Förderprogramme des Bundes unterstützt, teilweise sogar bis zu 100%. Die Inanspruchnahme von Fördermöglichkeiten brauche zwar kurzfristig Personal, entlaste jedoch langfristig den Haushalt der Stadt Mainz. Denn auch die aufzuwendenden Personalkosten werden in diesen Förderprogrammen berücksichtigt.

Die wesentlichen Forderungen lauten:

  • Klimaneutralität 2030: sollten bis 2030 85% der Treibhausgase (THG) reduziert werden – so auch der Tenor des Berichts des Leipziger Instituts als wissenschaftliche Grundlage. Dann reicht eine finale Klimaneutralität im Jahr 2035. Dafür bedarf es jedoch jetzt klarer Reduktionsziele je Sektor für die kommenden Jahre – wie in den Forderungen von MainzZero aufgelistet.
  • Transparenz und Klarheit: jährlicher, veröffentlichter Bericht über das Erreichen der gesteckten Ziele. Die aktuell alle fünf Jahre vorgesehene Vorlage einer THG-Bilanz für Mainz reicht nicht aus. Denn damit wird der Verwaltung und damit der ganzen Stadt die Möglichkeit genommen, aktuell und kurzfristig bei den Maßnahmen nachsteuern zu können.
  • Grünachsen statt autofrei: in jedem Stadtteil soll eine autofreie Grünachse mit Vorbildcharakter bis 2023 entstehen. Finanzmittel der Stadt sind hierfür aufgrund der Förderung durch die KfW-Bank nicht notwendig.
  • Sanierungsprogramm der KfW 432: analog dem Masterplan 2017 der Stadt Mainz sollte das vom Bund geförderte Programm – nach guten Erfahrungen auf dem Lerchenberg – flächendeckend für die gesamte Stadt in Anspruch genommen werden.
  • Bildung: Die Transformation hin zu einer klimaneutralen Stadtgesellschaft braucht fundierte Information und Bildung aller Mainzer*innen hin zu einem Bewusstsein, dass ein nachhaltiges Mainz die große Chance für die Stadt ist, sich nicht nur als weltoffene, sondern gleichzeitig als klimafreundliche, nachhaltige Stadt zu präsentieren.

Rechtliche Bewertung der Stadt fragwürdig
In seinem Plädoyer zur rechtlichen Zulässigkeit des Bürgerbegehrens betonte Hans-Georg Frischkorn die Klarheit der zur Abstimmung stehenden Frage: “Die Vorlage der Stadt sagt klar ‚Grundsatzentscheidungen, bei denen noch Detailfragen zu klären sind, sind möglich‘. Und genau das habe MainzZero in seinem Bürgerbegehren getan: eine klare Grundsatzfrage mit einer JA/NEIN-Antwort gestellt.

Der zweite Begründungspunkt für die rechtliche Unzulässigkeit ist nach Meinung der Stadtspitze die Verfristung. Zitat aus der Beschlussvorlage: „Ein kassatorisches Bürgerbegehren richtet sich gegen einen Ratsbeschluss. Um erfolgreich zu sein, müsste das Bürgerbegehren einen bestehenden, gegenläufigen Ratsbeschluss [Anmerkung: der nicht länger als vier Monate zurückliegen darf] beseitigen.“

Das wolle die Bürgerinitiative gar nicht. „Ganz im Gegenteil und eindeutig wollen wir, dass die Stadt sich nach Kräften bemüht, dass es endlich eine Solarsatzung für Mainz gibt und alle eben bereits angesprochenen Punkte aus den eigenen Vorlagen endlich umgesetzt werden“, so Frischkorn. „Wir als MainzZero wollen, dass die Stadt schneller, konsequenter und umfassender handelt. Das steht weder im Widerspruch zum Ratsbeschluss von 2017 noch denen zum Klimanotstand im September 2019 oder vom Februar 2021.“ Damit sei das Bürgerbegehren nicht kassatorisch. Doch bleibe die Hauptfrage, warum sich die Stadt auf die rein rechtliche Seite zurückgezogen hat. Und das auch noch als alternativlos bezeichnet, obwohl Städte wie Darmstadt gezeigt haben, dass es auch anders gehen kann. Dort hat der Stadtrat keinen Bürgerentscheid durchgeführt, sondern sich stattdessen die Forderungen des Bürgerbegehrens zu Eigen gemacht.

Stadtrat muss sich in inhaltlichen Gesprächen positionieren
MainzZero ist froh, dass sich die Parteien ganz überwiegend für eine weitere Zusammenarbeit mit MainzZero ausgesprochen haben. Im Ziel seien sich alle einig, hieß es von der großen Mehrheit der Sprecher*innen der Fraktionen. Man begrüße die Initiative von MainzZero und sei bereit, an gemeinsamen Anträgen für konkrete Klimaschutzmaßnahmen für die nächste Stadtratssitzung im November zu arbeiten. Doch die von MainzZero angestrebte inhaltliche Diskussion hat in dieser Stadtratssitzung so gut wie nicht stattgefunden. “Jetzt kommt es darauf an”, betont Hans-Georg Frischkorn von MainzZero, “dass in den Gesprächen auch ein konkreter Weg zu kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen gefunden wird, damit in Mainz schneller und konsequenter gehandelt wird”. Das Ergebnis müsse sein, dass Mainz seinen Beitrag zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels leiste und sich auch daran messen lasse.