Mit den am 10. Februar gefassten Beschlüssen erteilt der Mainzer Stadtrat auf Antrag der Stadtspitze eine klare Absage an das Pariser Klimaschutzabkommen und das 1,5 Grad-Ziel. MainzZero, die parteiunabhängige Initiative von Mainzer Bürger*innen, zeigt sich enttäuscht: „Unsere Stadt hat eine große Chance verpasst, dass Mainz seinen Beitrag im Rahmen dieser von Deutschland eingegangenen Verpflichtung leisten will! Dies ist auch eine verpasste Chance für die gesamte Stadt und deren Weiterentwicklung hin zu Klimaneutralität und mehr Lebensqualität“, betont Hans-Georg Frischkorn, einer der Mitinitiatoren des Bürgerbegehrens ‚MainzZero – Klimaentscheid Mainz‘.

‚MainzZero‘ sieht die Entscheidung, stadtnahe Gesellschaften und die Verwaltung bis 2035 klimaneutral aufzustellen, als wichtigen Schritt an., Doch gerade im so wichtigen Bereich Verkehr werden keine klaren Ziele genannt und das, obwohl hier der von der Stadt beauftragte Bericht des Leipziger Instituts „besonderen Handlungsbedarf“ erkennt.

„Es fehlt die Entschlossenheit und das konsequente Handeln der Stadtspitze“, so Frischkorn weiter und ergänzt: „Guter Wille allein reicht nicht mehr, es müssen endlich Taten folgen!“ Seit dem Klimanotstandsbeschluss im September 2019 sind 15 Monate vergangen. Bis jetzt hat die Stadtverwaltung immer noch nicht die dort für Anfang 2020 geforderten, konkreten Vorschläge vorgelegt, sondern nur einen neuen Grundsatzbeschluss verabschiedet. Der konkrete Aktionsplan wird noch mindestens ein Jahr dauern, womit wichtige Zeit verstreicht, „die wir beim derzeitigen Tempo des Klimawandels nicht mehr haben“, wie Frischkorn betont.

Nur zum Vergleich, wie eine Stadtspitze aktiv und schnell handeln kann: in Marburg hat es vom Beschluss des Klimanotstands bis zur Vorlage des Aktionsplans, in 2030 klimaneutral zu werden, lediglich neun Monate gedauert. In Mainz werden es deutlich mehr als zwei Jahre sein. „Kein Wunder, dass bei diesem Tempo die Stadt die Klimaneutralität in 2035 bereits für ambitioniert hält“, ergänzt der 64-Jährige. Irritierend und unverständlich ist auch, dass nur alle fünf Jahre eine Treibhausgasbilanz für Mainz vorgelegt werden soll. Ein in Kommunen gängiges Tool wird bereits in Mainz genutzt und vereinfacht diese CO2-Bilanzierung wesentlich.

Personelle Ressourcen schaffen um handlungsfähig zu sein

Die Ressourcen fehlen, heißt es immer wieder von Seiten der Stadtverwaltung. Doch genau das ist die Aufgabe der Stadtspitze: dafür zu sorgen, dass die wichtigen, zukunftsweisenden Themen effizient bearbeitet und letztendlich auch umgesetzt werden können. Klimaschutz ist eine dieser Aufgaben für die gesamte Stadtverwaltung, für alle Dezernate, für jedes Amt und jede Abteilung. Die mit Begeisterung, mit Herz und Verstand für das Thema angegangen werden muss – nur dann können auch die Bürger*innen mitgenommen und für die positiven Auswirkungen in allen Lebensbereichen begeistert werden. Das KO-Kriterium, das immer wieder genannt wird, es fehle das Geld für diese Maßnahmen, zählt nicht. Förderprogramme zur Finanzierung, gerade für finanzschwache Kommunen wie Mainz, stehen vielfältig zur Verfügung – auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene. Frischkorn: „Diese Gelder müssen mit entsprechenden Anträgen angefordert werden, dann stehen sie für die nachhaltigen Projekte in unserer Stadt zur Verfügung.“

Fehlendes Tempo zeigt sich auch im schleppenden Umsetzen bereits länger geplanter Maßnahmen: Zahlreiche Themen und Projekte, die bereits im Maßnahmenplan von 2017 enthalten und zur kurzfristigen Umsetzung vorgesehen waren, sind drei Jahre später immer noch nicht realisiert. Wesentliche, kurzfristige Maßnahmen des „Masterplan 100% Klimaschutz“ von 2017 sowie des Klimanotstand-Beschlusses vom September 2019 wie beispielsweise die Verabschiedung einer Solarsatzung oder die Novellierung der Grünsatzung sind weiterhin offen.

Reduzieren der Treibhausgase – ein Zufallsprodukt

Die Stagnation beim Reduzieren der Treibhausgas (THG)-Emissionen in den großen Sektoren Verkehr sowie öffentliche und private Gebäude zeigen das Umsetzungsdefizit in der Stadt auf. „Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Mainz hat sein THG-Einsparungsziel nur zufällig erreicht. Die bis 2018 erzielten Rückgänge resultieren primär aus den Einsparungen im Bereich Industrie, so u.a. durch Veränderungen in der Produktion bei Nestlé und Cargill”, so Marcel Weloe, der den BUND im MainzZero-Team vertritt. „Dies zeigt der von der Stadt in Auftrag gegebene Bericht des Leipziger Instituts“, so der promovierte Chemiker weiter und ergänzt: „Damit sind die beiden entscheidenden Bereiche Verkehr und Gebäude, die die Treibhausgase verringern könnten, fast komplett außen vor.“